#3 Die Faszination vom Kleinformat: Wie Begrenzung zu Kreativität führen kann
12.08.2024
In der Welt der Kunst wird oft die Großformatigkeit mit Bedeutung und Einfluss gleichgesetzt. Ich bin beeindruckt, wenn ich im Museum den Kopf in den Nacken legen muss, um eine Arbeit aus der Nähe zu erfassen. Aber was passiert, wenn man das Gegenteil tut? Was, wenn die Leinwand klein, fast winzig ist? Für mich hat die Arbeit im Miniaturformat einen besonderen Reiz, der in der Kombination aus Begrenzung und Freiheit verwurzelt ist.
Die Kunst der Reduktion
Kleinformate fordern heraus, das Wesentliche festzuhalten. Wenn der Raum begrenzt ist, zählt jeder Strich, jede Textur und jede Farbwahl doppelt. Die Begrenzung zwingt zur Reduktion – nicht nur in der Komposition, sondern auch im Denken. Diese Reduktion ist jedoch kein Verzicht, sondern eine Einladung, kreativ mit dem vorhandenen Platz umzugehen. In diesen kleinen Dimensionen entsteht oft eine Intensität, die in größeren Formaten schwer zu erreichen ist.
Der Prozess: Schnell und Intuitiv
Eines der Dinge, die mich an der Arbeit im Miniaturformat am meisten reizen, ist die Möglichkeit, eine Serie von Arbeiten in relativ kurzer Zeit zu schaffen. Die Geschwindigkeit, mit der Ideen umgesetzt werden können, erlaubt es mir, intuitiv zu arbeiten und spontan auf das zu reagieren, was sich auf dem Papier entwickelt. Mixed Media bietet dabei eine unerschöpfliche Quelle an Möglichkeiten – von Collagen und Texturen bis hin zu Farbe und Linien. Jedes Werk ist ein kleines Experiment, eine Momentaufnahme meiner Gedanken und Emotionen.
Korrespondierende Serien: Ein Dialog im Kleinformat
Ein weiterer spannender Aspekt der Miniaturkunst ist die Möglichkeit, korrespondierende Serien zu schaffen. Die Werke kommunizieren miteinander, sie ergänzen und reflektieren sich gegenseitig. Diese kleinen Serien bieten eine narrative Kontinuität, die dazu einlädt, tiefer einzutauchen. Trotz der kleinen Formate entfalten sie eine große Wirkung, indem sie im Zusammenspiel eine eigene Welt kreieren.
Warum Miniaturkunst?
Für mich ist die Miniaturkunst ein Kontrapunkt zur oft überwältigenden Größe der Welt. Sie ermöglicht es, in einem überschaubaren Rahmen – vor allem was den Einsatz von meiner zur verfügung stehenden Zeit betrifft – zu arbeiten und doch große Ideen zu transportieren. Die Begrenzung der Formate fördert nicht nur die Konzentration auf das Wesentliche, sondern eröffnet auch eine Freiheit, die in größeren Formaten schwer zu finden ist. Das Schaffen von Kunst im Miniaturformat ist für mich mehr als nur eine Technik – es ist eine Art des Ausdrucks, die zeigt, dass auch in der kleinsten Fläche eine unendliche Vielfalt an Möglichkeiten steckt.
Untenstehende Serie: Mixed Media auf Papier, gerahmt mit Dia-Klappmarken. Ca. 3 x 4 cm
#2 Eine Geschichte in Falten – Leporellos, Akkordeon- und Faltbücher
20.04.2023
Ein Leporello ist einfach herzustellen und kurz gesagt ein Papierstreifen mit viel Potenzial. Vom Format steht es zwischen dem Buch (Kodex) und der antiken Schriftrolle (Volumen) bzw. dem mittelalterlichen Rotulus. Es lässt sich sowohl vollständig entfalten als auch ausschnitthaft betrachten – was es gerade hinsichtlich der künstlerischen Möglichkeiten, Inhalte darzulegen und zu kommunizieren zu einem spannenden Medium macht.
Als historische Buchform findet sich das Leporello auch in anderen Kulturen: es gibt südamerikanische Faltbücher und auch im asiatischen Kulturraum hat diese Darstellungsform eine lange Tradition. Hier ist beispielsweise das beeindruckende Akkordeon-Buch der Batak-Priester aus dem nördlichen Sumatra zu sehen, das vollständig entfaltet 17 Meter lang ist.
Auf langen Papierbahnen wurden auch die Lieb- und Leidenschaften von Don Giovanni in Mozarts Oper von 1787 dokumentiert. Der emsig schreibende Diener Leporello gilt als Namenspate für diese besondere Buchform im deutschsprachigen Raum – gefaltete Bücher sind aber auch in Europa schon seit dem Mittelalter bekannt.
Wer zeitgenössische Leporellos mit dem Fokus auf künstlerische Gestaltung anschauen möchte, wird auf dem Blog von Stephen Perkins fündig. Unter Accordion Publications hat er eine Vielzahl von Faltbüchern zusammengetragen.
Auch bei Pinterest finden sich unter den Suchbegriffen Concertina, Accordeon Book und Leporello viele künstlerisch umgesetzte Varianten.
Wer tiefer in das Thema einsteigen mag, wird in der online einzusehenden Publikation „Die Geschichte(n) gefalteter Bücher“, herausgegeben von Christoph Benjamin Schulz (2019) fündig die ich zugleich als Quelle für mein neugewonnenes zusätzliches Wissen über Leporellos an dieser Stelle nennen möchte.
Und was begeistert mich daran, Leporellos zu schaffen? Es ist wohl das ungewöhnliche Format, was mich besonders anspricht. Die Papierstreifen bieten immer wieder neue Perspektiven und stehen zudem eigenständig dekorativ auf Schreibtisch und Regal. Jeder durch Knicke definierte Ausschnitt ist eine eigene kleine Welt, ein eigenes Bild. Manche beginnen ihr Dasein als Verschnitt von größeren Bildern – mit ein paar Symbolen, Farben und Pinselstrichen werden sie so vom Abfall zum Ausstellungsstück.
#1 Kleinkunst auf Samenständen
17.04.2023
Lunaria mal anders: hier habe ich die Samenstände des Silberblatts zu meiner Leinwand gemacht und darauf Miniatur-Collagen gestaltet. Es war eine Herausforderung, auf diesen hauchdünnen Samen zu malen, aber das Ergebnis ist dadurch ganz besonders geworden. Ich habe dabei ganz verschiedene Materialien wie Papierschnipseln, Acryl und Aquarellfarben verwendet, um diese winzigen Kunstwerke zu gestalten. Das Schöne an ihnen ist, dass sie so zerbrechlich sind – es erfordert eine ruhige Hand und viel Geduld, um diese Miniatur-Collagen zu erstellen.
Als ich das erste Mal diese Samenstände betrachtete, faszinierten mich ihre Formen und Texturen. Ich wollte sie auf eine Weise nutzen, die ihre Schönheit betont und etwas Einzigartiges schafft. Jedes Mal, wenn ich eine neue Collage erstelle, erinnert es mich daran, dass es sich lohnt, über den Rand zu malen und neue Wege zu gehen.